










Achtung Baustelle von Wilhelm Genazino
Das Buch gliedert sich in drei Abschnitte.
I.
Im ersten Abschnitt geht es gleich fulminant zur Sache.
"Ich sehnte mich danach, den Schrank schrumpfen zu sehen..."
Häh, wie, aha?! Man ist verwundert, über diesen durchaus seltsamen Satz. So erging es auch Büchnerpreisträger Genazino als er Virginia Woolfs Roman "Die Wellen" las.
Genazino nennt sein Buch nicht ohne Grund "Achtung Baustelle" und er, der Schreiberling, ist eine Art Bau-Facharbeiter.
Weiter im Takt:
"Der Mensch von 1950: Er fickte und las Zeitungen.", ein seltsames Resümee von, wer hätte es gedacht, Albert Camus;
Welche merkwürdige Mitteilung machte einst Franz Kafka auf einer Postkarte: "Vogerlsalat grüßt", so die einzigen Worte;
Welche besondere und durchaus feinfühlige Mensch notierte den seltsamen Satz "Ich lese auf meinem Zimmer Proust, fresse dazu Marzipan" in sein Tagebuch?
Weshalb schrieb Fernando Pessoa in seinem großartige Buch der Unruhe "Ich weiß von nichts, wie diese Dächer"?
Fragen über Fragen, die sich bei intensiver Lektüre ergeben haben. Genazino stellt sich den Sätzen, die herausgerissen, wie eine "Baustelle" wirken und es macht großen Spaß dabei zu sein, wenn Genazino, auf je 1-2 Seiten mit Feder, Bauarbeiterhelm und jeder Menge Humor bewaffnet, Schwieriges verblüffend einfach darstellt und erklärt.
II.
Im zweiten Abschnitt zeigt Genazino nicht weniger interessant und lehrreich, was er über die besonderen Schriftsteller und Menschen James Joyce, Marcel Proust und Italo Svevo zu berichten hat.
Ergänzt wird der Abschnitt noch mit der Erzählung "Einschluß, meine Herren!", dort schildert Genazino (seine)Erfahrungen zur "literarische[n] Arbeit mit Strafgefangen". Er skizziert verschiedene Charaktere, Probleme, Hoffnungen, Träume, Wünsche und lässt schließlich die Gesellschaft, mit Kultur und Medien, als entlarvt darstehen. Gefangene, die zu literarischen Treffen kurzzeitig ihren Gefängnisalltag verlassen, wollen selbst Schriftsteller sein und sehen sich, sobald sie wie rasend einige kurze Texte gekritzelt haben, als etabliert an. Eines Tages steht eine Rundfunksendung an. Die Häftlinge sind zunächst begeistert, schließlich werden sie stundenlang interviewt, man schenkt ihnen Aufmerksamkeit. Die Sendung wird auf ungefähr drei Sätze zusammengekürzt und so sackt die Stimmung zurück in die unwirklichen Bahnen der Realität.
III.
Der dritte Abschnitt enthält drei Reden Genazinos:
Rede zum Bremer Literaturpreis
Bergen-Enkheimer Rede
Dresdener Rede
Genazino lässt es sich auch diesmal nicht nehmen als Aufklärer zu wirken, der Baustellen aufdeckt, subtile und weniger subtile, meist jedoch sublime, Hinweise und Hilfestellungen parat hält. Seine Botschaften sind ungekünzelt, kunstvoll-vergleichend, glaubhaft und keinen Moment lang aufdringlich.
Fazit: Absolut zu empfehlen