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Doghouse
199726
Hiroshima, mon amour
(1963)
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Author: Marguerite Duras
Publisher: Suhrkamp
Pages: 117
ISBN: 9783518366127
Genre: Roman
Format: Broschiert

Marguerite Duras, die selbst als Mitglied der Résistance die Jahre der deutschen Besatzung in Frankreich erlebt und unter der Deportation ihres Ehemannes gelitten hat, wählt als historischen Hintergrund ihres Filmdrehbuchs Hiroshima mon amour neben dem Atombombenabwurf vom 6. August 1945 auch eben diese Jahre der deutschen Besatzung. Die Handlung ist nicht sehr komplex, erst die Bezüge zwischen den drei Erzählsträngen und zeitlichen Ebenen (Hiroshima 1958, Hiroshima 1945 und Nevers 1943-44) machen den inhaltlichen Reichtum des Werkes aus. Eine Französin, Mitte 30 dreht in Hiroshima einen Anti-Kriegsfilm. Sie hat dort während der letzten 24 Stunden bis zum Abflug eine leidenschaftliche Affäre mit einem japanischen Architekten, dessen Familie der Atombombe zum Opfer gefallen ist. Die Französin und der Japaner sprechen über die Atombombe und das Drehbuch sieht gleichzeitig dokumentarische Aufnahmen von Bombenopfern vor. Das Gespräch wird schließlich auf die Protagonistin und ihre Vergangenheit gelenkt, der Japaner möchte alles über sie wissen, um sie wirklich kennen zu lernen. Die Unterhaltung wird nun an verschiedenen Orten in der Stadt fortgesetzt. In ihrem Verlauf erfährt der Japaner alles über die tragische erste Liebe der Französin zu einem deutschen Besatzungssoldaten in ihrer Heimatstadt Nevers. Nach dem Krieg werden ihr, wie so vielen anderen der Kollaboration bezichtigten Frauen die Haare geschoren. Ihre Erzählung endet mit der Ankunft in Paris nach der Flucht aus Nevers, an dem Tag, als die Zeitungen voll waren mit Meldungen über die Atombombe,
Durch die Erzählung dieses tragischen persönlichen Erlebnisses verschmelzen die beiden Figuren des deutschen und des japanischen Liebhabers für die Französin zu einer Person und die bevorstehende Trennung wird in die Konsequenz des Scheiterns und Vergessens einer unmöglichen Liebe gestellt. Auf inhaltlicher Ebene thematisiert die Autorin so die Gegensatzpaare Erinnern und Vergessen sowie individuelles und kollektives Leid. Hierin liegt das provozierende Potential des Inhaltes, das bei einer politischen Lesart durch den scheinbaren Vergleich unschuldigen mit schuldigen Leids in früheren Zeiten sicher noch mehr schockierte als heute. Duras hat allerdings nicht die Absicht solche Aussagen zu machen, ihr geht es um das Leid und die Entwicklung der Protagonistin in der Konfrontation mit dem fremden Leid.. Die Absicht der Autorin liegt also nicht in der Aufarbeitung konkreter zeitgeschichtlicher Phänomene sondern in der Darstellung universeller Größen wie Liebe und Leid. Dieses Thema ist von hoher Faszination.
Das Buch wird durch den sicherlich nicht jedermann gleich zugänglichen Stil der Autorin zu einer anspruchsvollen Lektüre und es bedarf einer gewissen Bereitschaft sich auf die Durassche Schreibweise einzulassen. Sie ist geprägt von Wiederholungen und einem an Poesie erinnernden Rhythmus. Obwohl er auch in ihren Romanen vorkommt, ist dieser Stil im Drehbuch Hiroshima mon amour deutlich von der gesprochenen Sprache beeinflusst. Der Text lebt davon gesprochen zu werden, um seine Wirkung zu entfalten, und ebenso bedarf es der Begleitung durch die Bilder, um alle Bezüge zwischen den Erzählsträngen deutlich zu machen. Bei der alleinigen Lektüre erschließen sie sich kaum.